Interview mit Frau Schmitz*

Das die Idee der beruflichen Inklusion mehr als nur ein Traum ist, zeigt der berufliche Weg von Frau Schmitz. Das Wege dann aber auch steinig sein können, leider auch.

Frau Schmitz, wo stehen Sie heute beruflich?

In einem Wort: in der Festanstellung!

Sie beginnen mit der derzeitigen Lage. Dem hier und jetzt …

Möchten Sie jetzt meinen Werdegang hören oder eher meine aktuelle Situation? Wenn Sie sagen heute beruflich, gehe ich tatsächlich von der heutigen Situation aus. Ich weiß nicht, ob und welche Fragen jetzt noch kommen.

Doch, es werden noch weitere Fragen folgen. Wie gestaltete sich denn Ihr beruflicher Weg, ganz allgemein?

Schwierig, würde ich sagen, nach etlichen Schulabbrüchen. Dann ist das Ganze in einer massiven Depression gelandet, sodass ich nicht mehr vor die Tür gegangen bin und einfach nur Zuhause rumgesessen habe und es mir extrem ´Scheiße` ging – kann man mal so sagen.

Als erstes bin ich nach Köln gezogen, da dort Familienangehörige wohnen und ich da die Möglichkeit hatte ins Betreute Arbeiten oder wie es offiziell genannt wird in einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz einzusteigen. Die Möglichkeit hätte ich in einer anderen Stadt in Deutschland nicht gehabt. Dann bin ich über ProjektRouter in ein Praktikum reingekommen und habe das Praktikum übergangsweise gemacht, bis ich im Rahmen eines betriebsintegrierten Arbeitsplatzes einer Werkstatt meinen Einstieg fand. Dadurch konnte ich wieder Fuß fassen, konnte dadurch wieder Normalität zurückgewinnen, die ich davor nicht hatte und mich wieder psychisch stabilisieren und konnte eine Ausbildung erfolgreich abschließen; bin gut im Berufsleben angekommen, tja, stabil.

Was ist Betreutes Arbeiten?

Es ist eine Möglichkeit sanft und ohne Druck wieder oder überhaupt in Arbeit einzusteigen. Man ist offiziell bei einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung angemeldet, aber arbeitet nicht dort. Sondern in einem ganz normalen Unternehmen. Das heißt, man ist nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt und muss nicht die Verantwortung und Leistung bringen, die damit einhergeht. Ich habe damals mit einer reduzierten Stundenzahl angefangen und mich dann langsam aber stetig gesteigert, bis ich bei der Vollzeit angekommen bin. Ich konnte in der Zeit eingearbeitet werden, ohne dass ich schon Leistung bringen musste. Ich war als ‚helfende Hand‘ dabei.

Damit ich überhaupt im dem Unternehmen anfangen konnte, musste ich mir als erstes eine WfbM anschauen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich da nie arbeiten möchte. Ich hatte das Gefühl, wenn ich vorher nicht schon behindert bin, dann bestimmt, nach dem ich dort arbeiten musste. Ohne die Möglichkeit eines betriebsintegrierten Arbeitsplatzes wäre ich diesen Weg nicht gegangen und heute wahrscheinlich noch immer stark depressiv und arbeitslos.

Für mich war es genau der richtige Weg, um stabil und leistungsfähig genug zu werden, damit ich meine Ausbildung beginnen konnte.

Welche Eckpfeiler gab es denn in diesem Prozess? Kurz: die für Sie wichtig waren – negativ wie positiv?

Einmal ganz klar meine Familie, sodass ich da Anschluss hatte und Unterstützung; und psychologisch auch. Und auf jeden Fall auch das Büro, d.h. ich wusste, wenn ich nicht auftauche, dann heißt es: „Sag mal, wie sieht‘s denn aus?“

Und das war für mich am Anfang dann schon der Druck, den ich brauchte, damit ich sagen und wieder dahin kommen konnte, ok, jetzt ist es wieder zur Routine geworden. Jetzt werde ich es jeden Tag aus eigenem Antrieb schaffen, weil ich es wirklich möchte.

Denk ich an meine negativen Eckpfeiler … schwere Depressionen … absoluter Antriebsverlust … ja …

Welche Stolpersteine gab es denn, also anders als der gravierende Zustand der Depression mit seinen ganzen Begleiterscheinungen, Dinge also, die sich nicht vorhersagen lassen, die plötzlich auftauchen und über die Sie zuvor nicht nachdacht haben? Oder hat Ihre Depression alles überschattet?

Am Anfang hat sie alles überschattet. Dann wurde es natürlich immer mal wieder Schritt für Schritt besser. Klar, dann gab es auch andere Sachen, sowas wie Anträge stellen bei der Agentur für Arbeit, wo ich ein sit-in sozusagen veranstalten musste, um meine nötigen Antragsunterlagen zu bekommen. Ich wurde fünf Mal zu verschiedenen Stellen geschickt, die alle gesagt haben, „…wir sind nicht zuständig!“, um dann wieder bei der ersten Stelle zu landen. Da wurde mir dann nochmal gesagt, nein, sie müssen zu der und der Stelle. Ich habe dann gesagt, nein, ich gehe jetzt hier nicht weg, bis ich von ihnen den Antrag bekomme. Und dann hat es zehn Minuten gebraucht und etliche Diskussionen, bis ich den Antrag bekommen habe.

Da finde ich schon … da muss ich sagen … da bin ich zum einen einfach sauer gewesen, weshalb ich das Ganze auch durchziehen konnte. Zum anderen muss ich sagen, dass das ein Unding ist, dass Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung von A nach B geschickt werden. Ich glaube nicht, dass das viele auf die Kette gekriegt hätten, weil das schon eine große Hürde ist, die einem da vor die Füße geworfen wird.

Ich sag mal, im Positiven wie im Negativen, je mehr ich hier eingebunden war und auch immer mehr Verantwortung übernommen habe und damit auch mehr Aufgaben, war es schön, aber es ging damit auch ein gewisser Druck einher, dem man dann auch einfach standhalten muss. Ja, und muss man dann irgendwie gucken, dass man das auch hinkriegt.

Das wäre ein Stolperstein, nämlich dass Sie es hinbekommen müssen!

Ja!

Gibt es berufliche Ziele für Sie? Sie haben erfolgreich die Ausbildung gemacht und sind jetzt in einer Festanstellung, wie Sie zu Anfang des Interviews schon sagten.

Ich hatte darüber nachgedacht, eine Weiterbildung zu machen. Das ist mit einer Vollzeitarbeitsstelle aber nicht zu machen. Das wäre zwei Mal die Woche abends Unterricht, plus jedes zweite Wochenende, und da merke ich, da bin einfach so … ich habe einfach soviel Arbeit, dass ich das nicht hinkriege.

Ich habe aber schon mal darüber nachgedacht, einen Weiterbildungskurs in Richtung IT zu machen, das geht ja auch online. Da muss ich aber erst recherchieren, was ich da machen möchte. Das ist jetzt erst mal nur so ein Gedanke. Ich würde mich dann privat weiterbilden und gucken, wo es mich hinzieht.

Was wäre denn diese erste Weiterbildung gewesen?

Ich bin jetzt Kauffrau für Büromanagement, das wäre einfach noch eine Weiterbildung in diesem Bereich gewesen.

Da hätte man z.B. in Richtung Buchhaltung gehen können oder sonst welche anderen Sachen.

IT ist als Facharbeit ja schon anders als Ihre jetzige Arbeit. Scheinbar haben Sie aber in beide Richtungen Interessen, die Sie, wenn das Umfeld stimmt, verfolgen möchten.

Auf jeden Fall! Sagen wir mal so, in meinem Beruf hat man eh viel mit Technik zu tun. Hauptwerkzeug ist einfach der Computer. Technik hat mir schon immer Spaß gemacht und es fiel mir auch schon immer leicht. Ja, und ich habe hier jetzt auch die Rolle übernommen, dass ich mich halt mehr um Technik kümmere, d.h. wenn hier jemand Computer- oder Druckerprobleme hat, dass ich da auch noch mal nachgucke. Das würde auf jeden Fall für mich zusammenpassen.

Aber die Weiterbildung würde eher in Richtung Programmierung gehen!

Glauben Sie, dass Sie das umsetzen können und werden, oder denken Sie, dass es irgendwelche Widerstände geben kann, die eine Umsetzung nicht zulassen?

Nein, ich glaube auf jeden Fall, dass ich das umsetzen kann! Da stellt sich mir einfach nur die Frage, kriege ich das zeitlich, einfach mit meiner Arbeitszeit hin; und wie kann ich eventuell mit der Geschäftsführung darüber sprechen, dass man da ein Arrangement findet, sodass ich das in Anspruch nehmen und mich weiterbilden kann … es dem Unternehmen zugutekommen lassen kann.

Nochmals zum Thema berufliche Ziele.

Was benötigen Menschen mit Behinderung denn aus Ihrer Sicht, die versuchen ihre beruflichen Ziele zu setzen, aber die nötigen Instrumente für sich selbst nicht sehen? Also Menschen, die von ihrer Arbeit leben und ein eigenständiges Leben führen wollen.

Persönliche Unterstützung! Nicht einfach nur, Person XY kriegt jetzt einfach einen Assistenten an die Hand, der alles für einen macht. Es muss geguckt werden, wo sind die Stärken, wo sind die Schwächen und man braucht nicht bei allem Unterstützung, sondern nur bei manchen Dingen und dass es immer auf die individuelle Person zugeschnitten ist.

Es muss also ganz personenbezogen sein!

Sehen Sie allgemein noch notwendige Instrumente ´da draußen`?

Ja klar, es gibt Menschen, die brauchen ein Leben lang BeWo, andere dagegen nur punktuell.

Dazu gehören auch Hilfe beim putzen, einkaufen, einfach nur vor die Türe gehen und gemeinsam einen Spaziergang machen. Oder jemanden zum Kaffeeklatsch begleiten, um unter Menschen zu kommen.

Es gibt noch die gesetzliche Betreuung oder Begleitung durch Psychologen und Therapeuten. Zu wissen, hm, es fällt mir nicht leicht, um irgendwas auf die Kette zu kriegen und es braucht ganz viel Energie. Es könnte ja sein, dass der- oder diejenige meint, das selbst hinzukriegen. Aber zu wissen, wie ich Hilfe bekomme, das ist es, worauf es ankommt.

Manchmal kommt es vor, Sie haben es selbst beschrieben, dass diese Hilfe nur sehr schwer zu bekommen ist. Stichwort Behörden …

Ja, manchmal geht es da zu, … es gehört einfach auch Glück dazu, an wen man da gerät.

Frau Schmitz*, vielen Dank für das Interview!

*Name wurde geändert

–Das Interview führte Thomas Geduhn–

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